Das Schicksalsrennen in Monza

Durch den tödlichen Unfall von Wolfgang Graf Berghe von Trips beim Großen Preis von Italien 1961 erlangte der Ferrari 156 F1 hierzulande traurige Berühmtheit. Der GP in Monza sollte die Entscheidung in der Fahrer-Weltmeisterschaft zwischen den beiden Ferrari-Piloten Phil Hill und Wolfgang Graf Berghe von Trips bringen. In dieser Phase der Saison 1961 – dem ersten Jahr der neuen 1,5-Liter-Formel-1 – waren alle anderen Fahrer bereits aus dem Rennen um den Titel ausgeschieden, sodass die Entscheidung teamintern zwischen den beiden Stars der Scuderia Ferrari fallen musste.

An diesem 10. September 1961 startete Lord Howe, Präsident des Königlich-Englischen Automobilclubs, kurz nach 15 Uhr den siebten WM-Formel-1-Lauf des Jahres. Wolfgang von Trips war als Trainingsschnellster (2:46,3 Min.) auf dem Werksferrari 156 mit der Startnummer 4 schlecht von der Linie weggekommen. Zu Beginn der zweiten Runde führte Phil Hill (Ferrari) vor seinen Teamgefährten Richie Ginther und Ricardo Rodriguez. Jim Clark (Lotus) lag auf Platz vier vor Jack Brabham (Cooper). Trips folgte in sechster Position vor Giancarlo Baghetti im fünften Ferrari sowie Joakim Bonnier (Porsche). Zwischen der ersten und der zweiten Lesmo-Kurve überholte Graf Trips den Cooper von Brabham und ausgangs der zweiten Lesmo auch den Lotus von Clark. Nach der Curva del Vialone – wo Alberto Ascari 1955 tödlich verunglückte – näherte sich der Führungspulk mit Hill, Ginther und Rodriguez der „Curvetta“, der 180-Grad-Kehre von Vedano.

Trips, jetzt an vierter Stelle, bog mit etwa 240 Stundenkilometern auf den Rettilineo Centrale ein. Auf der Geraden, die die Curva del Vialone mit der Curvetta verbindet, waren an beiden Seiten der Strecke Erdwälle aufgeschüttet. Hier verfolgten die Zuschauer hinter Drahtzäunen das Rennen. Wall und Rennstrecke trennte ein mit Gras bewachsener Streifen. Links hinter dem Ferrari von Trips folgte der Lotus mit Clark.

Von Trips Monza 1961 4

Wolfgang Graf Berghe von Trips in Monza.

Vor dem Abschlusstraining die Ferrari 156 von Hill 2 Graf Trips 4 und Ginther 6

Vor dem Abschlusstraining die Ferrari 156 von Hill (2), Graf Trips (4) und Ginther (6).

Graf Trips erzielt im Abschlusstraining die erste Pole Position in seiner Grand Prix Karriere

Graf Trips erzielt im Abschlusstraining die erste Pole-Position in seiner Grand Prix-Karriere.

Etwa 250 Meter vor dem Einlauf zur Curvetta verlangsamte Trips seine Fahrt. Clark, dessen Lotus noch einen Geschwindigkeitsüberschuss hatte, wollte zum Überholen ansetzen. In diesem Augenblick zog Trips seinen Ferrari nach links und beide Fahrzeuge kollidierten. Das linke Hinterrad des Ferrari berührte das rechte Vorderrad des Lotus. Der Ferrari stellte sich quer, prallte gegen den Lotus, raste die Böschung hinauf in den Zuschauer-Zaun und schleuderte auf die Fahrbahn zurück. Dabei traf der Wagen, sich zweimal in der Luft drehend, die dicht gedrängt am Zaun stehenden Rennbesucher und blieb kopfüber mit gebrochenem Überrollbügel mitten auf der Fahrbahn liegen. Wolfgang von Trips war unmittelbar davor aus seinem Wagen gestürzt und tot am Streckenrand aufgeschlagen. Mit ihm starben elf Zuschauer, vier weitere Rennsportfans erlagen später im Krankenhaus ihren Verletzungen.

Rund zwei Stunden nach dem Tod von Wolfgang Graf Berghe von Trips gewann sein Teamgefährte Phil Hill den Großen Preis von Italien vor Dan Gurney (Porsche) und Bruce McLaren (Cooper). Der Sieg in Monza bedeutete für den Amerikaner auch den Gewinn der Weltmeisterschaft 1961. Unmittelbar nach der Siegerehrung sagte er: „Ich wollte gewinnen, aber nicht um diesen Preis.“

Text: /// Jörg-Thomas Födisch

Enrico Mapelli, in Monza geboren, ist Autor zahlreicher Motorsportbücher. Er arbeitet für mehrere Fachmagazine und das italienische TV-Programm „Griglia di Partenza“. Mapelli kommentiert im Autodromo di Monza sowohl nationale als auch internationale Rennveranstaltungen. Mehrfach war er in den vergangenen Jahren in die Organisation des „Grand Prix Historique“ in Monte Carlo eingebunden. Für sein Buch „Formula I Monza“ unterstützte ich ihn mit Bildmaterial vom Großen Preis von Italien 1961. Enrico Mapelli stellte mir für meine Homepage seinen Artikel über diesen Weltmeisterschaftslauf zur Verfügung. Dafür danke ich ihm sehr herzlich.

Der „Schwarze Sonntag“

Es war ein brutales Schicksal, wie ein Fluch. Wolfgang Graf Berghe von Trips war einer der besten Rennfahrer seiner Zeit. 1961 ging es für ihn um den Titel des Automobilweltmeisters – doch sein Name verbindet sich heute vor allem mit einem Nachmittag voller Schmerz und Tod. Der schreckliche Unfall im siebten Weltmeisterschaftslauf der Formel 1 beim Großen Preis von Italien am 10. September hatte mehr Bedeutung für die Zukunft von Monza als für die Königsklasse des Motorsports, die in jenen „heroischen“ Tagen immer noch nicht imstande war, die Sicherheit entscheidend zu verbessern. Fortschritte gab es erst Jahre später.

Als ginge es darum zu zeigen, dass der Hochgeschwindigkeitskurs den deutschen Piloten nicht besonders mochte, waren dem schicksalhaften 10. September 1961, dem „Schwarzen Sonntag“, zwei Episoden vorausgegangen, die bereits das Gefährliche in der Beziehung Monza-Trips illustrierten: Im Training zum Großen Preis von Italien am 30. August 1956 war der Ferrari-Pilot aus der Curva Grande „geflogen“ und hatte seinen D50 zerstört. Als Grund des schweren Unfalls wurde ein Lenkhebelbruch genannt. Das Resultat: Alle waren erschüttert, aber Trips hatte nur geringfügige Verletzungen, das Auto war Schrott, und ans Rennen war nicht mehr zu denken.

Startaufstellung

Startaufstellung.

Letztes Gespräch Graf Trips und Monteur Gert Gentsch

Letztes Gespräch: Graf Trips und Monteur Gert Gentsch.

Zwei Jahre später, beim Gran Premio d´Italia am 7. September 1958, fuhr Trips beim Anbremsen vor der Lesmo-Kurve mit überhöhter Geschwindigkeit ins Heck des BRM. von Harry Schell – beide Autos gerieten außer Kontrolle, schleuderten über die Strecke und überschlugen sich. Der fürchterliche Unfall hatte tatsächlich nur leichtere Verletzungen für den deutschen Ferrari-Piloten zur Folge. Er verursachte glücklicherweise keine weiteren Probleme für seine Karriere – umso besser für einen Fahrer, von dem der Commendatore eine hohe Meinung hatte und der, so wie es aussah, die 61er Meisterschaft würde gewinnen können. „Taffy“ von Trips musste jetzt eigentlich nur noch den schärfsten Konkurrenten, seinen Teamgefährten Phil Hill, im Auge behalten.

Für den Heim-Grand-Prix – aus dem höchstwahrscheinlich einer seiner Fahrer als Weltmeister hervorgehen würde – ließ Enzo Ferrari fünf Autos so gründlich wie möglich vorbereiten. Außer Trips und Hill fuhren für Ferrari der zweite Kalifornier, Richie Ginther, und zwei vielversprechende Neulinge: Ricardo Rodriguez gab sein Formel-1-Debüt, der Mailänder Giancarlo Baghetti startete in der Formel 1 zu seinem dritten WM-Lauf.

Baghetti hatte schon zwei Monate zuvor für Schlagzeilen gesorgt, als er – vollkommen überraschend – mit dem Ferrari 156 „Sharknose“ den französischen Grand Prix in Reims gewann und auch Sieger der Non-Championship-Races in Syrakus und in Neapel wurde – ebenfalls auf der „Sharknose“. Am 5. September, ein Dienstag, spulte das italienische Team Kilometer um Kilometer auf dem Kurs in Monza ab. Das Rennen sollte auch über die Hochgeschwindigkeitsstrecke führen. Nach dem Training wurden die Autos nach Maranello zurückgebracht, und in den nächsten beiden Tagen setzten die beiden Amerikaner und der Deutsche die Testfahrten im Autodromo in Modena fort. Schließlich brachen die roten Renntransporter in aller Frühe auf, um pünktlich in Monza zu sein – für das aufregendste Wochenende des Jahres.

Eine Stunde vor dem Start trafen die Fahrer in den spartanischen Boxen ein. Rodriguez kam mit großem Gefolge – seine Eltern und Freunde begleiteten ihn. Baghetti wurde als Fahnenträger verpflichtet. Hill und Trips machten einen nervösen Eindruck, was kaum verwunderte, ging es für sie doch um alles an jenem Tag. Dann trafen sich die 32 Starter zum letzten Briefing mit dem Renndirektor. Trips stand gleich neben Clark. Die beiden mochten sich und scherzten gern miteinander – sie konnten nicht ahnen, wie fürchterlich ihre nächste Begegnung nur kurze Zeit später verlaufen würde.

Dann nahmen die Fahrer Platz in ihren Rennwagen. Am Start standen die Wagen erstmals aus Sicherheitsgründen paarweise nebeneinander. Rodriguez kam sehr gut weg, aber wie üblich dauerte es ein paar Kilometer, bis sich das Feld sortiert hatte. Phil Hill kam als erster wieder an Start und Ziel vorbei, gefolgt von Richie Ginther, Ricardo Rodriguez, Jim Clark, Graf Trips, Jack Brabham und Giancarlo Baghetti. Nur kurze Zeit später sollte sich die Geschichte des Rennens und das Schicksal vieler Menschen dramatisch verändern.

In Runde zwei kam es zur Katastrophe: Genaue Untersuchungen nach dem Rennen ergaben, dass sich der Zusammenstoß von Trips‘ Ferrari und Clarks‘ Lotus rund 240 Meter vor der Curva di Vedano – besser bekannt als Parabolica – angebahnt hatte. Beim Überholversuch kollidierte bei rund 240 Stundenkilometern der Lotus mit dem Ferrari. Der Deutsche verlor die Kontrolle über seinen Wagen, raste über den Randstreifen in die Böschung und dann den Hang hinauf in den niedrigen Drahtzaun. Der Wagen wurde hochgeschleudert und traf die am Zaun stehenden Zuschauer. Von Trips, aus dem Cockpit geschleudert, flog durch die Luft, brach sich beim Aufprall den dritten Halswirbel und war sofort tot. „Ja, er war sofort tot“, bestätigte später Dr. Luciano Garau, der als erster Mediziner bei Trips war.

In der Anfangsphase führt Phil Hill vor Ricardo Rodriguez und Richie Ginther alle Ferrari 156 Sharknose

In der Anfangsphase führt Phil Hill vor Ricardo Rodriguez und Richie Ginther (alle Ferrari 156 "Sharknose").

Das Wrack des Ferrari wird von Streckenposten und Helfern von der Fahrbahn gezogen

Das Wrack des Ferrari wird von Streckenposten und Helfern von der Fahrbahn gezogen.

Der Ferrari von Trips nach dem Unfall

Der Ferrari von Trips nach dem Unfall.

Der Unfall war live in der Fernsehübertragung zu sehen und erregte große Besorgnis unter jenen, die Monza verehrten. Die Organisatoren hatten es mit einem unabsehbar und beängstigend großen Desaster zu tun. Um die Rettungskräfte nicht zu behindern, entschieden sie, das Rennen fortzusetzen. Phil Hill fuhr als erster über die Ziellinie. Am Ende gewann er neben dem Gran Premio d`Italia auch die Formel-1-Weltmeisterschaft 1961.

Die meisten Menschen wussten zum Zeitpunkt der Siegerehrung noch gar nicht, wie es um Wolfgang Graf Berghe von Trips bestellt war. An jenem Sonntagabend hätte sich Trips vielleicht von Enzo Ferrari verabschiedet, nachdem die beiden sich zum Mittagessen am Montag in Maranello verabredet hatten – Trips wahrscheinlich mit dem Weltmeistertitel in der Tasche. Stattdessen wurde sein Leichnam am Montag mit einer Maschine der Lufthansa nach Köln-Bonn geflogen.

Lebewohl, tragisches Monza. Sei gegrüßt, edler Champion.

Aufnahmen vom 10. September 1961

Weitere Bilder finden Sie hier in der Mediathek...

Der schwere Formel 1 Unfall von Wolfgang Graf Berghe von Trips

Chris Rea a Tribute to Wolfgang Graf Berghe von Trip

Chris Rea - Only To Fly 1 - from 2015 New "La Passione" - Tribute to Wolfgang Graf Berghe von Trip

Chris Rea - “Wolfgang” Instrumental, from 2015 - Tribute to Wolfgang Graf Berghe von Trip

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