Über den Reichsgrafen Wolfgang Berghe von Trips ist – wie über Niki Lauda und Michael Schumacher – buchstäblich alles geschrieben worden, von Befugten und Unbefugten, in wunderschönen und in ungelenken Worten, in einfühlsamer Anteilnahme oder mit der tiefgekühlten Distanz des bloßen Chronisten und Faktensammlers. Die Schnittmengen zwischen den drei Ausnahmefahrern sind beträchtlich: Rennfahrer in Ferrari-Diensten, der Stoff, aus dem die Champions sind, im Falle von Trips und Schumacher sogar eine gewisse physische Ähnlichkeit, eine gleiche Art zu reden und der sonderbare Umstand, dass sie nur ein paar Kilometer voneinander entfernt geboren werden.
Jenseits davon hingegen hört jeder Vergleich auf. Graf Trips stand und steht für Tugenden, die längst aus der Mode gekommen sind wie der Begriff „Tugend“ selbst, für inneren Adel, das Chevalereske im besten Sinne, Anstand und Fairness. In seiner Rede zur Gründung der Vereinigung „Scuderia Colonia“ in der Villa Oppenheim zu Köln am 13. Januar 1960, vorgetragenen in der ihm eigenen straffen Diktion mit leicht rheinischem Akzent, kam all das programmatisch vor. Er selbst lebte es. Graf Trips, kein Zweifel, taugte damals und noch Jahrzehnte nach seinem Tod zum Idol und Vorbild.
Neben seinen Kriegernamen „Count Crash“ und „Taffy“ (dem englischen „tough“ für „hart“ – „hart im Nehmen“ – nachempfunden) hatte man Trips „den letzten Ritter“ genannt. Nomen est omen – Name und Stand stehen für den Menschen dahinter. Das lässt sich nicht unbedingt über sämtliche deutschen Adligen sagen, die sich in den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts auf den Rennstrecken tummelten wie einst ihre in Eisen gewandeten Vorfahren im Turnier mit Schwert und Lanze.
Dem sehr besonderen Charme des deutschen Grafen aus Horrem konnte sich in jenen Jahren nicht einmal der abgebrühte Enzo Ferrari entziehen. Für den Gründer des Sport- und Rennwagenherstellers Ferrari war Trips Vorreiter einer neuen, vierten Generation von Rennfahrern, einer der ersten echten Profis. Der Commendatore sagte einmal über Trips: „Ich mochte ihn ganz besonders wegen seiner großen Integrität. Er war unglaublich schnell, und selbst in Augenblicken des größten Wagemuts verschwand dieses markante Lächeln, gemischt mit Traurigkeit, nie aus seinem edlen Gesicht. Er zog die Formel 1 vor, machte aber auch im Sportwagen eine tadellose Figur. Glanzvoll, eine Spitzenleistung, war sein Auftritt 1961 bei der Targa Florio.“
Und dennoch: Charisma, das Geheimnis der Persönlichkeit, lässt sich nicht ergründen. Der Rest allerdings ist verbriefte und besiegelte Geschichte. Ein paar Mark- und Meilensteine aus dem Leben des Rennfahrers, der 1961 nach den Sternen griff: des Grafen behütete Jugend auf dem Herrensitz Burg Hemmersbach zu Horrem, seit 1751 im Besitz der Familie Berghe von Trips. Seine Pennälerzeit am Pädagogium Otto Kühne in Bad Godesberg – der Zögling wohnt gleichwohl extern und sturmfrei bei einem Bankdirektor Schüler, daher der Spottname „Schüler-Bude“ für sein Dachzimmer. Seine Gesellenzeit im Porsche mit einer verhohlenen Identität, um seine Eltern nicht zu beunruhigen.
Nicht lange hält das Alibi der wachsenden Neugier auf seine Person stand, und Absurditäten wie die Lautsprecheransage „Der unter dem Pseudonym Axel Linther startende Wolfgang Graf Berghe von Trips…“ bürgern sich ein. Da ist sein kurzes Intermezzo 1955 und 56 bei Mercedes-Benz, mit Teilnahme und Platz drei bei der Tourist Trophy im 300 SLR im September 55 als Highlight. Da sind 25 (von insgesamt 27) Grands Prix im Dienst der Scuderia Ferrari.
Seinem Renommee als „Count Crash“ macht Trips gleich beim ersten gefährlichen Zwischenfall alle Ehre, beim Training zum Gran Premio d’Italia in Monza am 1. September 1956: Lenkhebelbruch am Ende der Curva Grande, Exkursion mitten in eine Baumgruppe. Beim Überschlag fällt er aus dem Lancia-Ferrari D50, riecht das Aroma der frischen Erde und stellt am Ende verdutzt fest: „Trips, du lebst“. Die Warnschüsse des Schicksals werden meistens erst dann als solche wahrgenommen, wenn es zu spät ist.
Da sind seine Duelle mit seinem Freund und Rivalen Phil Hill in seiner letzten Saison 1961, die beiden schönen Siege im Dino 156 „Sharknose“ in Zandvoort und Aintree, die berechtigte Hoffnung auf den Weltmeistertitel. Da ist schließlich dieser entsetzlich gleichgültige Zynismus des Schicksals am späten Nachmittag des 10. September. In ihrer Rundfunk-Reportage aus Monza, nach qualvoll langer Sprachlosigkeit untermalt von den Geräuschen des Rennens, übermitteln die Star-Reporter Rainer Günzler und Günther Jendrich die schlimme Botschaft, Trips sei tot, hier und jetzt, in dem Augenblick, der sein größter sein sollte. Mit dem Ferrari-Piloten starben etliche Zuschauer.
Wolfgang Graf Berghe von Trips war eine Lichtgestalt und ist bis heute eine Lichtgestalt des deutschen Sports geblieben. Mit seinem Sterben in Monza – so empfanden es vor rund 60 Jahren Menschen in aller Welt – ist es ein wenig dunkler geworden.
Trips - Bilder aus seinem Leben
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