Jim Clark, zweifacher Automobilweltmeister, kam am 7. April 1968 bei einem Wertungslauf zur Europa-Trophäe für Formel-2-Rennwagen in Hockenheim durch einen technischen Defekt an seinem Fahrzeug ums Leben. Jutta Fausel, eine bekannte Rennsportfotografin und mit Clark befreundet, pflegte mehrere Jahre die Gedenkstätte des Schotten im badischen Motodrom. Jutta, die ich Anfang der 1970er-Jahre am Nürburgring kennengelernt hatte, erzählte mir später von ihren Plänen, in die USA auszuwandern. Sie fragte, ob ich mich um die Erinnerungsstätte am Hockenheimring kümmern könnte.
Da mein Wohnort Heimerzheim jedoch wesentlich weiter von Hockenheim entfernt war als der meiner Mutter in Worms, erklärte diese sich bereit, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten die Gedenkstätte von Jim Clark zu pflegen. Einige Jahre danach erfuhren Clarks Eltern davon. Nach mehrmaligem Briefwechsel erhielt ich von ihnen eine Einladung auf ihre Farm Edington Mains nahe Duns (Schottland). Im Herbst 1979 besuchte ich sie.
Mehr als elf Jahre sind vergangen, seit Jim Clark – Inhaber des Ordens des British Empire, der Farmer und Gentleman aus Edington Mains, Chirnside und aus Pembroke, Bermuda, erster Freiherr der Stadt Duns, Gewinner von 25 Großen Preisen, zweier Formel-1-Weltmeisterschaften und der 500 Meilen von Indianapolis – sein Leben auf der Rennstrecke von Hockenheim verloren hat. Nach meiner Ankunft auf der Clark-Farm fahre ich zusammen mit Jims Vater nach Chirnside. Auch dort ist die Erinnerung an den Ausnahmepiloten geblieben, besonders in Form eines Denkmals auf dem Dorfplatz seiner Heimatgemeinde. Der lanzenbewehrte Reiter als Wappen des Motorsportclubs „Border Reivers“ (für den Clark seine ersten Rennen bestritt) auf der einen Seite des Gedenksteines, auf der anderen die Inschrift mit dem Gedenken an den Rennfahrer – an der Spitze eine Uhr unter einem stilisierten Lotus-Rennwagen, symbolisch die Startnummer des Wagens: 1.
Rund 500 Meter unterhalb des Dorfplatzes liegen Kirche und Friedhof. Schon von Weitem leuchtet die Goldschrift auf Clarks Grabmal dem Besucher entgegen.
Der Gedenkstein erinnert an seine 25 Grand-Prix-Siege, den Gewinn der beiden Fahrerweltmeisterschaften 1963 und 1965 sowie an den Sieg im 500-Meilen-Rennen von Indianapolis 1965.
Über Charterhall, einer längst vergessenen kleinen Rennstrecke, auf der Clark erste Erfolge errang, erreichen wir die Stadt Duns. Schilder weisen den Weg zum Rathaus in der Newton Street 46, wo sich der Trophy-Room für Jim Clark befindet. 27 Gästebücher wurden seit dem 3. April 1969 ausgelegt, fast 140.000 Besucher sind zum Zeitpunkt meines Besuches bereits gezählt worden. „Die meisten Leute kommen jedes Jahr im Herbst, wenn die nun schon traditionelle Jim-Clark-Rallye ausgerichtet wird“, berichten die beiden Angestellten des kleinen Museums, Mr. Spence und Mr. Wadell, voller Stolz. Das 46-seitige Begleitheft zur Trophy-Collection enthält viel Wissenswertes über die Rennjahre des Schotten. 122 Trophäen, Pokale und Siegerschärpen sind vorhanden, stellen aber nur einen Bruchteil der Erfolge des Mannes dar, der in der Zeit von 1962 bis 1968 als bester Fahrer seiner Epoche galt.
Auf dem Rückweg nach Edington Mains befahren wir die hügeligen und kurvenreichen Straßen von Berwickshire, „auf denen Jim Clark wohl das Autofahren so gut gelernt hat“, so Mr. Spence zum Abschied.
Im neuerbauten Bungalow zwischen den beiden Clark-Farmen erinnert noch so viel an Jim Clark: der Esso-Goldhelm im Speiseraum, Pokale vom britischen und französischen Grand Prix, die Weltkartengravur mit Rubinen für die Grand-Prix-Strecken, Miniaturmodell des Lotus, Turner-Gemälde und Sitzpolster mit Clarks ersten Rennoveralls überzogen – hellblau, noch nicht feuerfest und mit aufgenähtem Dunlop-Wappen. Hunderte von Erinnerungsstücken, die liebevoll von der Haushälterin Bessie und den Clark-Eltern gepflegt werden, Schubladen voll mit Bildern, Briefen, Karten, Rennprogrammen. „Es ist so viel geworden in all den Jahren, aber alle Sachen sind für uns eine stete Erinnerung an Jim“, erzählt Mrs. Clark.
Zum Abschied von Edington Maine und der Familie Clark nehme ich einen Gruß an alle in Deutschland mit, die Jim kannten und jedes Jahr im April das Jim-Clark-Gedächtnisrennen in Hockenheim besuchen (wenn auch längst eine andere Generation den Automobilrennsport „lebt“).
(Jörg-Thomas Födisch)