Klaus Ludwig, jeweils dreifacher Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans und des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring, FIA-GT-Champion, mehrfacher DTM-Meister und DRM-Titelträger, hat zahlreiche Erfolge seiner einzigartigen Karriere auf dem Nürburgring erzielt - und wird deshalb auch "König der Nordschleife" genannt. Dort hatte der gebürtige Roisdorfer schon in den 50er- und 60er-Jahren zusammen mit seinem Vater legendäre Rennen und berühmte Fahrer hautnah erlebt. Einer der Piloten, die damals für Schlagzeilen sorgten, war Wolfgang Graf Berghe von Trips. Das Vermächtnis des 1961 beim Großen Preis von Italien in Monza tödlich verunglückten Graf Trips und seiner Eltern erfüllt die "Gräflich Berghe von Trips'sche Sportstiftung zu Burg Hemmersbach".
In der "Villa Trips - Museum für Rennsportgeschichte" im Kerpener Ortsteil Horrem präsentierte die Trips-Stiftung bis 2018 nicht nur den Familien- und Rennfahrernachlass derer von Trips, sondern organisierte auch zahlreiche Veranstaltungen, Buchvorstellungen und Treffen mit Markenclubs und Rennsportfreunden. Die größte Exposition, "Rheinische Rennfahrer", wurde 2016 eröffnet. Gezeigt wurden Exponate wie Overalls, Helme, Pokale und persönliche Erinnerungsstücke von mehr als 50 Piloten. Klaus Ludwig stellte für diese Ausstellung zahlreiche seiner Trophäen und Auszeichnungen zur Verfügung. Regelmäßig ist der bekannteste deutsche Tourenwagenfahrer gern gesehener Gast der Trips-Stiftung bei Events, die Porsche, Ferrari, den Nürburgring oder den gesamten Motorsportbereich zum Thema haben. Eckhard Schimpf, Hartmut Lehbrink und Uwe Mahla stellten mir für die Rubrik "Nürburgring" einige Beiträge über Klaus Ludwig zur Verfügung. Die Fotos stammen von der Bildagentur Ferdi und Bodo Kräling.
Ich bedanke mich herzlich für die beispielhafte Unterstützung.
(Jörg-Thomas Födisch)Eine Klasse für sich ...
Über lange Zeit war er eine rasende Dauereinrichtung, jemand, der irgendwie immer da und deswegen einfach nicht mehr wegzudenken war – Klaus Ludwig halt, der Rennfahrer.
Wenn's einer hat wie er, läppert sich ja auch so einiges zusammen in drei Jahrzehnten. Die beiden deutschen Rennsport-Meisterschaften 1979 und 81, drei DTM-Titel 1988, 92 und 94 (die beiden letzten für Mercedes), drei Le-Mans-Siege 1979, 84 und 85 und, zusammen mit dem jungen Brasilianer Ricardo Zonta, das FIA-GT-Championat anno 1998 im Mercedes CLK-GTR lagerten sich nur als die prächtigsten Intarsien ein in eine schier unzählige Menge von Einzelerfolgen. Davor, wie es sich gehört, zwischen 1969 und 73 die Lehrjahre: erste tastende Versuche am Limit bei Slaloms im Umfeld des heimischen Roisdorf knapp nördlich von Bonn, Orientierungsfahrten, das eine oder andere Tourenwagenrennen. Beim bewegenden Abschied 1998 flossen reichlich Tränen und andere Flüssigkeiten. Aber im langen Windschatten dieses erfüllten Lebens im Grenzbereich und sicher auch aus einem horror vacui heraus gewann Ludwig 1999 noch einmal das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring mit dem grollenden Viper und ließ sich, inzwischen 50-jährig, jedoch trefflich aufbereitet von Fitness-Trainer Toni Mathis, 2000 ein letztes Mal von der Mercedes-Machern als Pilot für die DTM anwerben. Das stand inzwischen für Deutsche Tourenwagen-Masters und der Lohn, nicht zuletzt oder besser vor allem für die Seele, war Rang drei in der Endabrechnung.
Indes: „Nachdem ich zum erstenmal wieder in der Karre gesessen hatte, schaute ich in den Spiegel und dachte – es passt eigentlich nicht mehr.“ Und im September 2005, bei einem Vergleichstest von Supersportwagen für Auto Bild auf dem Nürburgring zusammen mit den Kollegen Walter Röhrl, Tom Kristensen und Poldi von Bayern stellte er den Porsche Carrera GT, immerhin einen erklärten Liebling der Fachpresse, nach einer Runde reichlich genervt wieder an der Box ab. „Ich habe mich fürchterlich geärgert und gefragt: Warum machst du solche unvernünftigen Dinge, bläst da mit 55 in einem giftigen Übersteurer ohne Überrollbügel in einer Höllenzeit um die Nordschleife?“ Ludwig spricht schnell und sagt auch viel, scheut dabei nicht das deftige und für den Druck nicht geeignete Manneswort, mit dem sich komplizierte Widrigkeiten plastisch auf den Punkt bringen lassen.
Fotos: Bildagentur KrälingEdel-Mime Paul Newman trat mit 80 noch einmal beim 24-Stunden-Rennen von Daytona an, nicht einmal viel langsamer als seine soviel jüngeren und routinierten Teamkollegen Christiano da Matta und Sébastien Bourdais. Sein amerikanischer Landsmann John Fitch setzte ein paar Monate später im reifen Alter von 87 Jahren völlig neue Maßstäbe für kraftfahrende Senioren, als er am Lenkrad eines 300 SL Flügeltürers bei einem Rekordversuch über die Bonneville Salt Flats huschte. Solche geriatrischen Eskapaden lehnt Klaus Ludwig nachdrücklich ab: „Sowas würde ich niemals tun. Das gebe ich hier und heute schriftlich. Erstens glaube ich nicht, dass ich 87 werde. Wenn doch, würde ich lieber auf die Jagd gehen und Tiere angucken, noch nicht einmal mehr schießen.“
Was er dabei mit Worten streichelt, ist gleichsam seine Komplementär-Leidenschaft. Mit dem Waidwerk hat er Getöse und Getümmel seines Hauptberufs austariert, 1982 den Jagdschein gemacht, sieben Jahre später in Hochacht einen Steinwurf vom Nürburgring entfernt eine Jagdhütte erworben. Und wenn er im Spätherbst drüben im Kesselinger Tal auf Anstand steht, liegt die Kraft in der Stille, obwohl das Land um die höchste Eifelhöhe herum im Augenblick von der Hirschbrunft widerhallt: „Da röhrt es an jeder Ecke.“ Diese Passion, sagt er, könne man nicht jedem verkaufen, dazu müsse man geboren sein. In der Tat nimmt der Jagdherr Klaus Ludwig, ein Mann der Kontinuität auch in dieser Hinsicht, Kindheitsstrukturen wieder auf: „Da war ich fast jeden Sonntag mit meinem ebenfalls begeisterten Vater in den schönen Wäldern rund um Münstereifel unterwegs.“ An den anderen habe Karl Ludwig mit der Familienkutsche Borgward Isabella TS gerne mal einen Abstecher zum Nürburgring gemacht, allerdings um dort mit ein paar Kumpels Karten zu spielen, während sich der Junior mehr für das wüste Wochenend-Treiben auf der Rennstrecke („Mach dir ein paar schöne Stündchen, geh ins Brünnchen.“) erwärmte. Später hätten ihn dann Freunde mit auf die Pirsch genommen und er habe sofort gewusst: Das ist dein Ding.
Nur rund zehnmal hat er sich gedreht in all den Jahren, ist völlig ungeschoren davongekommen – bis auf zwei mächtige Unfälle. Das war 1985 in Charlotte/USA: „Da prallte ich mit einem GTP Mustang mit über 300 auf eine Mauer. Vorn war etwas gebrochen. Das Lenkrad war links, rechts bis zur Kardanwelle wurde alles abgehackt. Hätte ich auf dieser Seite gesessen, wäre ich jetzt mausetot.“ Und: „1989 erwischte mich Armin Hahne am Ring voll, mit fast 200. Ich hatte mich gedreht, eigenes Verschulden, weil die Reifen noch kalt waren, und stand entgegengesetzt zur Fahrtrichtung. Am Ende habe ich mich wieder gewundert, dass ich noch lebe. Alles liegt in Gottes Hand. Ein Schock, der Hals eine Zeit lang fünf Zentimeter länger – das war alles.“
Natürlich gehören solche Vorfälle ins Berufsbild der Branche. Wenn sie sich rar machen, hat man Schwein gehabt. Aber man kann auch vorbeugen, durch ernsthafte Arbeit am Wagnis zum Beispiel. Er sei keineswegs mutig, sagt Klaus Ludwig überraschend: „Rennen fahren hat mit Courage nichts zu tun.“ Den berüchtigten derben Späßen von „Striezel“ Stuck, Dieter Quester und Bayernprinz Poldi bringt er nicht sonderlich viel Verständnis entgegen und kann deshalb auch mit keinerlei saftigen Anekdoten aufwarten oder „Dönekes“, wie er sich ausdrückt : „Ich war nie im Kindergarten.“ Statt dessen habe er Rennen gefahren und versucht sie zu gewinnen, sei mit dem Auto nach Hause gereist oder geflogen und habe sich aufs nächste vorbereitet – der Klaus-Ludwig-Rap sozusagen. Und: Andere bosseln zu lassen und nur königlich am Rennwochenende zu erscheinen, sei nie seine Sache gewesen: „Während meiner Jahre bei Zakspeed zum Beispiel bin ich jeden zweiten Tag nach Niederzissen gefahren, habe stundenlang mit Erich Zakowski und seinen Leuten geplant und diskutiert, geschraubt, Kaffee getrunken und bin wieder heimwärts gedampft.“ Dennoch sei jede Phase auf ihre Weise schön gewesen, auch etwa bei Willibert Kauhsen, bei Kremer, Ford, Joest, Opel oder AMG beziehungsweise HWA mit ihrer zeitgemäß-pingeligen Professionalität.
Restbestände jugendlicher Tollkühnheit baute ohnehin die Zeit ab. In dem 750-PS-Monster Porsche 935, erzählt Ludwig schaudernd, habe er 1979 auf dem Ring-Streckenteil Pflanzgarten mit allen vier Rädern in der Luft gehangen und verstehe sich heute selbst und die Welt nicht mehr: „Wir hätten so viel tun können, um das Fahrwerk zu verbessern und so das Risiko zu verringern. Eine richtig gute Straßenlage hatte der nie.“ Übrigens sonderbar: nicht nur jedes Modell sei anders, sondern jedes einzelne Rennauto habe eine eigene Identität, ganz unabhängig vom jeweiligen Set-up.
Fotos: Bildagentur KrälingWie verändern 30 Jahre einen Rennfahrer? Wird man langsamer? „Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht“, sagt er nachdenklich. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich zum Beispiel Mitte der Siebziger war.“ Eines aber sei sicher: „Man fängt an, Fehler zu machen.“ Über einen hat er sich besonders geärgert. Ludwig begleitete die DTM-Rennen im Rahmen der ARD-Berichterstattung sach- und fachkundig mit seinen Kommentaren, geizt auch nicht mit Lob: „Dieser Paffett ist wirklich ein unheimlich guter Fahrer.“ Um richtig kompetent mitreden zu können, informierte er sich an diesen Wochenenden im „Renntaxi“ über die Zustände und Umstände auf der Strecke. Und da sei ihm auf dem Lausitzring im September dieser Schnitzer unterlaufen: „Ich war ein bisschen zu euphorisch mit dem Gaspedal, habe das Lenkrad bis zum Anschlag gedreht und das Auto dann nicht mehr eingefangen, auch noch mit einem Passagier an Bord.“
Den Tourismus in den Graubereich zwischen Sein und Nichtsein, in dem sich Rennsport-Größen wie Gilles Villeneuve oder Stefan Bellof so unerschrocken tummelten, hat Klaus Ludwig immer gescheut: „Im Rennauto war ich der Safety-Apostel hoch zehn.“ 390 Stundenkilometer auf der Hunaudière-Geraden, das müsse einfach nicht sein: „Man kann Schikanen einbauen. Und das geschah auch.“ Er sei der allererste, der das gefordert habe, der erste, der geschrien habe, Bernie Ecclestone solle die Kiesbetten abschaffen, „das Schlimmste, was es gibt – da muss Asphalt hin.“ Und: „Ich habe als Erster gesagt, an die Rennstrecke gehören Mauern, keine Leitplanken. Das sind richtige Dosenöffner.“ Unter Ludwigs tatkräftiger Mithilfe wurden etwa die neuen Randsteine an der NGK-Schikane des Nürburgrings entwickelt, vier Meter breit, 60 Millimeter hoch und anderthalb Tonnen schwer.
Seine tief verwurzelte Sehnsucht nach Sicherheit war wohl auch der Grund dafür, dass aus seinem Flirt mit dem Formel-Sport in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre keine flammende Liebesaffaire wurde. Er brauche, wurde Ludwig damals zitiert, diesen Käfig, der einen im Tourenwagen umgibt, frei stehende Räder seinen ihm nicht ganz geheuer. „Alles Schutzbehauptungen“, wischt er das heute vom Tisch. Vieles lief einfach schief, überdies habe ihm die liegende Sitzposition nicht behagt. Vielleicht war er der richtige Mann am falschen Ort oder zur falschen Zeit, verfügte nur über mäßiges Fahrzeugmaterial, stolperte über schmale Budgets. Querelen im ach so sensiblen Bereich des Menschlichen kamen dazu, überdies die Turbulenzen, welche durch den ständigen Wechsel zwischen Formel-2-Monoposto und Tourenwagen aufgeworfen wurden. Ein dritter Platz am Nürburgring 1976 im March 762 – das war das höchste der Gefühle. Sein Ausflug in das Parallel-Universum der Einsitzer endete gleichwohl auf einer versöhnlichen Note: „Beim EM-Lauf in Donington Ende Oktober 1977 war ich mit einem brandneuen Chevron B40 auf dem Weg zur Spitze, als eine Antriebswelle kaputtging. Da wusste ich, dass ich's konnte.“ Das mit der Gefährlichkeit des Monoposto hingegen korrigierte die Erfahrung: „Die Porsche 956 und 962 waren viel haariger.“ Dem ersten der beiden verdankte Ludwig immerhin seinen schönsten Sieg, 1985 in Le Mans zusammen mit Paolo Barilla und Louis Krages im Wagen des Joest-Teams gegen die Werksautos.
Nach Bernd Schneider ist Klaus Ludwig bislang der erfolgreichste Pilot im Renntourenwagen von Mercedes, die GT-Meisterschaft von 1998 mit dem CLK-GTR ein spätes Highlight seiner Karriere. Gedient hat er vielen Herren, aber irgendwie verknüpft man seinen guten Namen mit der Marke mit dem Stern. Starallüren sind im fremd, im Gegenteil: Als ihm Rainer Braun als Autor und Ferdi Kräling als Fotograf, beide Wegbegleiter über viele Jahre, antrugen, das alles mit einer schmucken Autobiographie zu würdigen, wehrte er zunächst entschieden ab, mit so etwas „habe er nichts am Hut“. Und den Löwenteil des Gran-Turismo-Championats im CLK-GTR schanzt er seinem jungen Partner zu: Ohne Zonta hätte er „dieses große Ziel am Ende seiner Laufbahn“ nie erreicht. Der habe das Auto viermal auf die Pole-Position gestellt, die wichtigen Zeitguthaben herausgefahren und als einziger dem Team-Leader Schneider Paroli bieten und gleich gute Zeiten erzielen können. Vor dem Viper-Einsatz 1999 am Ring schließlich räumte er sogar ein, er sei ein wenig angespannt: „Wie die meisten Sportler sind auch Rennfahrer oft nicht so selbstbewusst, wie sie auftreten.“
Klaus Ludwig als Ruheständler? Das Wort sollte man nicht unbedingt beim Wort nehmen. Langeweile wird nie einkehren. Immerhin sind da ja auch noch, neben den Konstanten Jagd und Wald, Fahrdynamik-Tests mit neuen Mercedes-Modellen vornehmlich am Ring, ein ergiebiger Altersteilzeitjob in der historischen Rennszene, der seit jeher geliebte Skisport und „ein bisschen Tennis“. Und die Familie – Gattin Marion, die „am Ende nur noch den Kopf geschüttelt hat“, sowie die beiden Söhne Nico und Luca.
Erzählstoff gibt es ohnehin in Hülle und Fülle.
(Hartmut Lehbrink)Ring-erprobt
Klaus Ludwig ist einer der besten Tourenwagen- und GT-Piloten der Geschichte. Vor kurzem habe ich mir die Zeit genommen, alte Bekanntschaften zu sortieren. Dabei fiel mir die Geschichte einer Nachtleistungsprüfung auf der Nordschleife des Nürburgrings, Frühsommer 1972 ein. Ein Freund hatte mich überredet, als Copilot bei solch einer Veranstaltung zu fungieren und sagte, das wird schon nicht so wild – kein brutales Renntempo.
Ich sagte ja, kannte noch keinen Deut von der "grünen Hölle". Spreizte mich auf dem Beifahrersitz ein und konzentrierte mich auf gleichmäßige Rundenzeiten, die ich brav in einer Tabelle eintrug.
Fotos: Bildagentur KrälingBald wurde mir schlecht, was auf der meiner Seite eindrucksvolle Spuren hinterließ. Zweimal flog ein dunkler 02er-BMW an uns vorbei, so dass uns klar war: Da ist ein ganz Schneller unterwegs! Später, im parc fermé, parkte der flotte BMW direkt neben uns. Ein junges Bürschchen, so Anfang 20, hüpfte behänd heraus, blickte halb angewidert, halb amüsiert auf meine Fahrzeugseite und meinte: "Wohl neu am Ring?"
Er erzählte dann von seinem Auto, einem ordentlich aufgemotzten 1600er. "Mit dem kann ich auch noch eine knappe Minute schneller fahren als heute", erzählte er fast beilläufig, aber mit unverhohlener Selbstsicherheit. "Ich hab' heute nur die Gelegenheit genutzt, den Ring mal am Stück genauer kennen zu lernen." Später, bei der Siegerehrung, räumte der forsche Jüngling ordentlich ab: Schnellster in der Klasse und dabei auch noch der Konstanteste in den Rundenzeiten. Lesson learned, kann ich nur sagen: Es war Klaus Ludwig.
Er konnte sich unseres ersten Treffens nicht mehr entsinnen, als ich als junger Reporter ein, zwei Jahre später zum ersten Mal für ein kurzes Interview auf ihn zuging. Da war Klaus schon zur Nachwuchshoffnung gereift, hatte ein Aufmerksamkeit erregendes Jahr im Grab-Capri hinter sich und schickte sich nun an, die Kronprinzenrolle bei Zakspeed hinter Hans Heyer einzunehmen.
Da ich dann alle Rennen der Deutschen Rennsport-Meisterschaft begleitete, entwickelte sich zwischen uns ein komfortables, vertrauensvolles und nie von enttäuschenden Ereignissen geprägtes Verhältnis. Ludwig hatte immer Zeit für meine Fragen und fühlte sich in meiner Berichterstattung offensichtlich immer gut behandelt, was bei den von ihm abgelieferten fahrerischen Leistungen nicht verwundert. So wurde ich Zeuge, wie sich einer vom ehrgeizigen Privatier zu einem der besten Tourenwagen- und GT-Fahrer der Welt entwickelte.
Als solchem kam ich ihm noch näher, als ich im Herbst 1980 meinen neuen Job als PR-Mann bei Zakspeed angetreten hatte und Klaus, inzwischen nach seinem ersten DRM-Titel und Le Mans-Sieg als der große Star im Capri und im Mustang für Erfolge sorgen sollte. In meiner neuen Rolle war ich u. a. für die Reisetätigkeiten des Teams nach Amerika zu den IMSA-Rennen zuständig. Ich war gehalten, die Kosten für dieses Projekt so überschaubar wie möglich zu halten und ließ unser gesamtes Team kurzerhand Holzklasse fliegen. Ein Wunder, dass sich nie jemand direkt bei mir beschwert hat. Auch Klaus nicht!
Was mich auch noch an meine Zeit mit Klaus Ludwig und Zakspeed erinnert, ist diese kleine Begebenheit, die eine Menge über das schon damals ausgeprägte Selbstbewusstsein des jungen Profis aussagt: Zum traditionellen Akademischen Renntraining auf dem Hockenheimring hatte sich Bob Lutz, damals Chef von Ford Europe, als ehemaliger Kampfpilot und besonders Rennsport-affin bekannt, für einen Einsatz im Turbo-Capri angemeldet.
Es bildete sich eine große Entourage aus Ford-Offiziellen und Zakspeed-Leuten rund um Erich Zakowski, darunter auch Klaus Ludwig und mir, der ich die Chose PR-mäßig zu betreuen hatte.
Fotos: Bildagentur KrälingAlles wuselte um den großen Boss und seinen Einsatz herum. Lutz machte auf der Piste erwartungsgemäß eine gute Figur und alle waren happy. Da zupfte mich Klaus Ludwig am Anorak und raunte mir zu: "Ich glaube, da kümmern sich jetzt genügend Leute um Bob Lutz; wir machen uns aus dem Staub."
Dann schnappte er sich den Schlüssel für ein nagelneues Escort-Cabrio – das Frechste, das es damals bei Ford gab -, und wir beide rauschten nach gebührlichem Tschüss in alle Richtungen davon. Ludwigs Credo: "Man muss nicht immer und überall parat stehen."
(Uwe Mahla)Am 23. September 1979 hat Klaus Ludwig Geschichte in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft geschrieben. Beim Supersprint auf dem Nürburgring krönte der Pilot eine besondere Saison mit dem Meistertitel.
Auf dem Display blinkt es: „Klaus Ludwig“. Ich hatte versucht, ihn zu erreichen. Nun sein Rückruf. „Was treibst du denn so?“ Die Antwort im leicht rheinischen Singsang: „Allet juut. Komme gerade vom Waldspaziergang. Und heute Nacht um drei starte ich nach Paznaun.“ Wohin? „Ischgl. Skilaufen.“ Nachts um drei? „Klar doch“, sagt er, „da stehe ich mittags auf der Piste. Ist doch bestens.“ Klaus Ludwig, inzwischen 74, ist nach wie vor topfit. Und man mag es drehen, wie man will: Er gehört zu den zehn besten Rennfahrern, die es im Nachkriegs-Deutschland je gegeben hat. Das ist schon was. Wenn man bedenkt, dass in eine solche Rangliste – angeführt von Michael Schumacher – auch ein Sebastian Vettel, ein Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen, Stefan Bellof, Stuck, Mass, Graf Trips und Rallye-Superstar Walter Röhrl gehören.
„König Ludwig“ wurde er mal genannt. Nicht abwegig, denn er war zweifellos der „König“ der europäischen Tourenwagen-Szene. Vielleicht hätte dieser smarte und intelligente Kerl sogar – ich habe es früher schon mal geschrieben – noch mehr aus sich machen können. Vielleicht gar als Manager? Oder Grand-Prix-Star? Ludwigs Klasse als Rennfahrer ist unbestritten. Auch in der Formel 1 hätte er eine Top-Figur abgeben können – wenn er reelle Chancen gehabt hätte. Seine Formel-2-Abenteuer (1976 im March, 1977 im desolaten Kauhsen-Renault) erwiesen sich als Desaster. Aber Klaus Ludwigs Spontan-Test 1977 im Penske-Formel-1-Rennwagen endete mit Spitzenzeiten! Die 1:56 in Hockenheim hätten ihm auf Anhieb den Start beim GP Deutschland ermöglichen können. Wenn der unberechenbare Teamchef und ATS-Felgenbaron Günter Schmid es gewollt hätte. Aber ohne Sponsorengeld lief halt nichts. Ich kann mir heute noch ausmalen, was der Klaus damals gesagt hat: „Leckts mich doch!“ Möglicherweise hat weitere Formel-1-Chancen auch sein brodelnder Eigensinn verhindert. Oder aber seine ausgeprägte Realitätsdenke. Er entschied sich ja meistens für Teams und für Autos, deren Erfolge für ihn absehbar und kalkulierbar waren. Mit Ausnahme des Ford C100 („Die schlimmste Krücke, die ich je gefahren habe!“). Aber das Naturell dieses Klaus Ludwig – so blitzwach und clever er auch ist – verführte ihn zuweilen zu Ruck-Zuck-Entscheidungen und zu Bemerkungen, die ihm hier und da als Arroganz ausgelegt wurden. Auch Jähzorn ist ihm durchaus nicht fremd. Das bekam zum Beispiel Hans-Werner Aufrecht im Jahr 1994 mal zu spüren, immerhin einer seiner Chefs bei Mercedes. Klaus Ludwig hatte sich auf dem Weg ins Schwetzinger Schloss zu seiner eigenen Meisterehrung verspätet. Und schon fauchte ihn „HWA“ in ungewohnter Schärfe an. „Wie einen Schuljungen hat er mich runtergeputzt, meine Frau und meine Mutter waren dabei.“ Die Reaktion folgte prompt und „Ludwiglike“: Kündigung nach sechs Mercedes-Jahren. Gleich noch an jenem Abend rief er Keke Rosberg an und unterschrieb danach bei Opel. Immerhin für zwei Jahre (1995 und 1996), ehe er wieder „zum Daimler“ wechselte. Diese Spur von Egozentrik, die ihn umwehte, hat ihm nie geschadet, eher geholfen. Wie sagte doch einmal Norbert Haug, der Mercedes-Rennchef: „Er hatte eine Art, der nur schwer zu widersprechen ist.“ Gehören solche Ecken und Kanten nicht auch zu einem Spitzenrennfahrer?
Klaus Ludwigs Karriere war grandios. Im GT und im Tourenwagen war er über Jahre hinweg zweifellos der Beste überhaupt. Am Lenkrad arbeitete er fehlerlos, clever, jede Chance nutzend und auch genau wissend, wann „keine Schnitte“ zu holen war. Körperlich war er stets topfit. Sport schuf die Basis dafür: Ski, Tennis, Surfen, Wasserski, Mountainbike. Für jemanden, der – um mal ein Beispiel zu nennen – in einem einzigen Jahr (nämlich 1988) an 37 Wochenenden im Rennwagen saß und darüber hinaus auch noch Tests fuhr, war dieser Ausgleich enorm wichtig. Bewegung, das Durchatmen, das Abschalten bescherte ihm nicht nur der Sport, sondern auch die Jagd – der Genuss von Natur und Stille in den Wäldern. Und zwar in der Eifel, wo er nicht nur 40 Jahre lang unterhalb der Hohen Acht eine eigene Jagd besaß, sondern wo er auch heute noch wohnt. Die raue Eifel als Kraftspeicher für dieses Alpha-Tier Ludwig, der stets auch extrem hart um die „Kohle“ verhandelte – eines seiner Lieblingswörter übrigens. Aber er ist ja sein Geld auch wert. Nicht umsonst gehört er bis heute zu den Markenbotschaftern von Mercedes.
Seine Laufbahn krönte Ludwig im Cockpit eines CLKMercedes 1998 mit einen FIA-GT-Weltmeistertitel. In den bulligen Sportwagen wie Porsche 935, 956, 962 holte er drei Le-Mans-Siege, erkämpfte erste Plätze nicht nur in Europa, sondern auch in den USA in Sebring und Laguna Seca. Er sicherte sich in Ford- und Mercedes-Tourenwagen fünf Meistertitel (1979 und 1981 in der DRM sowie 1988, 1992, 1994 in der DTM). Allein in der DTM erkämpfte er 38 Siege, 75 Podestplätze. Da kann man nur sagen: „Aber hallo!“ Im Gegensatz zu manchen anderen Racern kann Klaus Ludwig wunderbar erzählen. Schnörkellos, auf den Punkt kommend, oft launig-lustig. Ich habe öfter mit
ihm geplaudert. Mal stundenlang, als wir 2001 in Monte Carlo eine Oldtimer-Rallye auf einem Mercedes 220 A miteinander fuhren. Mal 1996 auf einer gemeinsamen Tour in Irland, bei irgendwelchen Mercedes-Terminen oder auch damals im Herbst 1982, als Erich Zakowski mir den Ford C100 für einen Nordschleifen-Ausflug bereitstellte und Klaus Tipps gab. In geradezu plastischer Erinnerung ist mir ein Abend im Sporthotel am Nürburgring geblieben. Es lief die Siegerehrung für das 1000-Kilometer-Rennen 1979. Klaus saß neben mir am Tisch. Es war spürbar, dass er innerlich geradezu kochte. Der Grund: Er hatte auf irre Art und Weise das Rennen verloren. In der letzten Runde lag er mit dem Kremer-Porsche 935 zentimeterdicht hinter dem Führenden, hinter Fitzpatrick im Loos-Porsche 935. Auf der Döttinger Höhe drehte Klaus den Ladedruck bis zum Anschlag! Aber 300, 400 Meter vor der Ziellinie explodierte der Motor mit einer riesigen weißen Wolke. Ludwig trudelte langsam ins Ziel. Nur Zweiter! Eine Enttäuschung. Wobei man wissen muss, dass der Kremer-935 in jenem Jahr außerirdisch gut lief und unschlagbar war. Ludwig gewann zehn von elf DRM-Läufen (!), gewann in Le Mans – nur hier, in seinem Heimrennen, verlor er. Vielleicht auch, weil sein Copilot Axel Plankenhorn die Ludwig-Rundenzeiten nicht ganz erreichen konnte. Wie auch immer: Wir hockten da nun abends nebeneinander: er, ziemlich sauer, weil „nur“ Zweiter geworden, ich dagegen, der Amateur, hochzufrieden mit Rang sechs im Gesamt. Herausgefahren mit Hans-Georg Bürger, der ebenfalls bei uns saß. Und nun, Stunden nach dem Rennen, war Klaus Ludwig immer noch in Wallung. Er wippte auf zwei Stuhlbeinen herum, mäkelte hier, mäkelte da und schnippte Pommes herum, wobei eines dieser Stückchen im Bierglas von Nikolaus Kremer landete, dem Vater der Kremer-Brüder. Als dann Rennleiter Ali Schatz bei der Verteilung der Pokale Henri Pescarolo (der mit Brian Redman Dritter geworden war) irrtümlich als „Carlos Reutemann“ bezeichnete, flippte Klaus Ludwig förmlich aus und begann laut zu jubeln: „Carlos, Carlos, Carlos!“ Und wir am Tisch stimmten sogar alle noch mit ein! Gut – das macht man nicht. Und Nikolaus Kremer giftete dann auch in Richtung Ludwig: „Dat sach ich de Erwin! Wie du dich heute hier aufführst.“ Wir haben sehr gelacht. Aber Fakt ist: Mir wurde da erst klar, mit welchem eisernen Ehrgeiz dieser Klaus Ludwig Rennen fuhr. Solche Niederlagen machten ihn schier krank. Und wie sieht er heute seine Bilanz von rund 500 Rennen? „Ja, so war es. Ich war immer bekloppt,“ sagt er. „Ich wollte gewinnen. Immer.“ Das Spannende ist ja, aus Rennfahrern etwas herauszulocken, was sie sonst vielleicht nicht so gern erzählen. Über die Angst im Rennwagen beispielsweise. Klaus Ludwig ist da ehrlich wie kaum einer: „Ich habe immer wieder Angst gehabt, obwohl ich den schönsten
Job der Welt hatte.“ Die Angst begleitete ihn speziell nach Le Mans, wo er dreimal siegte (1979, 1984 und 1985), nach dem Rennen 1988 „nie wieder“ sagte und dennoch 1998 erneut startete. „Dieses Wahnsinnstempo – fast 400 km/h auf der sechs Kilometer langen Hunaudières-Geraden, damals noch ohne Schikanen – war zum Fürchten. Ich dachte oft: Warum tust du dir das an? Was machst du hier überhaupt? Le Mans hat mich gleichermaßen fasziniert und geängstigt.“ Diese Selbstzweifel waren berechtigt. Todesstürze waren in den 70er und 80er Jahren Normalität. Winkelhock, Stommelen, Bellof, Gartner, Herbert Müller starben in Porsche-Cockpits. Ludwig: „Wenn ich mich von meinen Kindern verabschiedete, dachte ich oft: Du weißt nicht, ob du den Nico oder den Luca wiedersiehst. So müssen die Jungs sich früher gefühlt haben, als sie in den Krieg zogen.“ Ludwig war überall schnell. Aber die Nürburgring-Nordschleife war sein Lieblingsrevier. Unzählige Erfolge hat er dort errungen; dreimal gewann er allein die 24 Stunden (1982, 1987, 1999). Wer ihn einmal mit dem ziemlich schwer zu beherrschenden Zakspeed-Turbo-Capri, damals um die 650 PS stark, in Abschnitten wie dem Pfl anzgarten oder Wippermann driften sah, der weiß, welche Virtuosität dieser Kerl besaß. Dort in der Eifel, wo Klaus Ludwig schon als Kind mit Vater Karl am Streckenrand gestanden hatte, fühlte er sich stets wohl. Er genoss die Herausforderung dieser weltweit einmaligen Rennstrecke: Der „Ring“ war nicht nur extrem anspruchsvoll, sondern auch „saugefährlich“. Besonders, so Ludwig, wenn man sich durch einen Pulk nach vorn kämpfen musste. „Da kommst du oft mit Leuten in Berührung, die die Situation nicht im Griff haben.“ Zum Schluss noch eine kleine Überraschung. Wen er für seine stärksten Konkurrenten hielt? Wen er besonders hoch einschätzte? Wer hier nun Namen wie Stuck oder Mass, Rosberg oder Schneider erwartet, der wird enttäuscht. Klaus Ludwig nennt nur zwei Namen: „Rolf Stommelen – der war ungeheuer schnell, vor allem im Regen. Und Respekt hatte ich vor allem auch vor Manfred Winkelhock.“